Klein und wendig, mit viel Platz im Innenraum: Mit dem neuesten Modell EX30 tritt Volvo an, Widersprüche zu verbinden. Wir haben getestet, ob das gelungen ist.
Außen
Die charakteristische Volvo-Signatur an der Front findet sich auch beim EX30 wieder. „Thors Hammer“ und das diagonale Markenlogo sind eindeutig erhalten geblieben, während das Design des restlichen Fahrzeugs gelungen neu interpretiert wurde.
Beim seitlichen Blick fallen unweigerlich die kompakten Maße auf. Mit etwas mehr als 4 Meter und einer Höhe von eineinhalb Metern ist das Fahrzeug wortwörtlich überschaubar und so findet man selbst bei engen Parkgaragen immer einen Platz. Das Fahrzeug wirkt lediglich in der Breite deutlich breiter als 1,8 Meter, was sich beim Fahrgefühl aber nicht auswirkt. Der moderne Designansatz setzt sich bei den nahezu rahmenlosen Seitenspiegeln fort und wird durch die aufpreispflichtigen 20-Zoll-Felgen abgerundet.
Innen
Auch der Innenraum ist gekennzeichnet von einer neuen Interpretation des Alten, was teilweise einer gewissen Gewöhnung bedarf. Im Zentrum stehen recycelte Materialien, die sich beginnend bei der Türverkleidung durch den gesamten Innenraum ziehen. Zwar kommt natürlich auch bekanntes Rauplastik zum Einsatz, jedoch sind alle Bereiche der alltäglichen Benutzung mit angenehmem Material überzogen oder unterschäumt. Neben aus Kunststoffabfällen und Abfallmaterialien hergestellten Verkleidungen, Sitzbezügen und Fußmatten wurde laut Volvo auch auf einen sparsamen Einsatz der Verkabelung geachtet, wodurch unter anderem die Fenstersteuerung zur Mittelkonsole gewandert ist und die Seitenspiegel digital eingestellt werden.
Gespart wurde jedoch nicht an Ablagemöglichkeiten und Staufächern. Die Türtaschen sind leider zu klein für 1,5L-Flaschen, dafür aber verhältnismäßig tief. Ansonsten gibt es reichlich Stauraum in Bodennähe der Mittelkonsole, ein Handschuhfach, das per Display geöffnet werden kann, sowie ausfahrbare Getränkehalter. Alles in allem sorgt das offene Innenraumkonzept für viel gefühlten Bewegungsspielraum.
Weniger Bewegungsfreiheit ist jedoch in der hinteren Sitzreihe gegeben. Bei Einstellung des Fahrersitzes auf die Körpergröße von 1,8 Meter bleibt kaum Beinfreiheit für den dahinterliegenden Sitz. Davon abgesehen ist aber die Kopffreiheit gegeben, der Sitzkomfort ansonsten komfortabel und ermöglicht ein entspanntes Reisen auch in der zweiten Reihe. Das beide Reihen umfassende Panoramadach sorgt zusätzlich für eine optimale Ausleuchtung, zudem wurde hier ebenso auf reichlich Stauraum geachtet. Getreu dem Konzept sind auch hier in der Mittelkonsole die Tasten für die Fensterheber eingebaut. Isofix-Punkte sind durch Klappen sehr leicht erreichbar. Eine Mittelarmlehne und eine separate Klimabedieneinheit sucht man jedoch vergebens. Auch der mittlere Sitz ist aufgrund seiner geringen Breite eher für den Notfall ausgelegt.
Hilfreich für längere Fahrten kann die 12-Volt-Steckdose sein, die selbst bei ausgeschaltetem Fahrzeug Strom liefert. Die Rücksitzbank kann typischerweise 40/60 umgelegt werden, wodurch der Kofferraum Platz auch für sperriges Ladegut bietet, auf eine Skidurchreiche wurde aber verzichtet. Zwischen 318 und 904 Liter sind maximal möglich, wobei hier der Unterboden mit gut 60 Litern bereits hinzugezählt wurde, in dem sich reichlich Platz für Ladekabel und dergleichen findet. In Realität lassen sich somit knapp sieben mittlere Umzugskartons auf einmal transportieren. Zusätzlich kommt noch ein sieben Liter umfassender Frunk hinzu, der relativ verschachtelt aufgebaut ist. Das unserem Testfahrzeug beiliegende 22 kW Ladekabel ließ sich nur nach einigen Faltkünsten im Funk verstauen und was sich nicht für einen alltäglichen Gebrauch eignet. Für ein 11 kW Ladekabel reicht der Frunk allerdings gerade aus.
Bedienung
Die Interaktion mit dem Fahrzeug erfolgt über das zentrale Display in der Mitte der Front. Hierüber werden nicht nur wie gewohnt Navigation und Multimedia bedient, sondern auch das Handschuhfach geöffnet und Seitenspiegel eingestellt, sowie aufgrund des fehlenden Fahrer:in- oder Head-Up-Display alle relevanten Fahrinformationen angezeigt.
Die Bedienung erfolgt sehr flüssig und direkt und glänzt mit der nahtlosen Einbindung der Google Services. Der grundsätzliche Aufbau ist stark an der eines Android-Betriebssystems orientiert und ermöglicht dadurch eine intuitive und schnelle Orientierung. Eine Leiste am unteren Rand des Bildschirms zeigt die zuletzt genutzten Apps an, wodurch ein schneller Wechsel möglich ist. Jedoch wäre eine individuelle Anpassung zumindest zum Teil ideal, um Funktionen wie One-Pedal-Driving und Geschwindigkeitsassistenten schnell zu erreichen. Android-Auto war zu unserem Testzeitpunkt nicht verfügbar, soll aber laut Volvo noch per Update nachgeliefert werden.
An die neue Anordnung der Fensterbedienung gewöhnt man sich mit der Benutzung, allerdings sind nur zwei Tasten für die Bedienung der vorderen oder hinteren Reihe vorhanden, die mittels Touchpadeingabe umgeschaltet werden können. Aufgrund des fehlenden haptischen Feedbacks ist aber eine visuelle Überprüfung notwendig, welche Reihe gerade angesteuert wird. Durch Einsparung vieler analoger Tasten treten ähnliche Situationen während der Fahrt auch mit Warnblinker, Einstellung der Klimaanlage oder der Nebelschlussleuchte auf.
Assistenzsysteme
Der Volvo EX30 ist umfangreich mit Assistenzsystemen ausgestattet, die auch größtenteils zuverlässig funktionieren. Neben den Licht- und Regensensor, ACC, Totwinkelassistenten, die einwandfrei funktionieren, hilft ein Pilot Assist dabei, die Kontrolle über das Fahrzeug zu behalten und gleichzeitig den Fahrer, die Fahrerin zu entlasten. Insgesamt sind die Assistenten eher auf der vorsichtigeren Seite und werden bei sportlicher Fahrweise schnell nervös. Der Pilot Assist hält selbst beim kleinsten Intervall reichlich Abstand zum vorderen Fahrzeug, bremst bei zu geringem Abstand somit recht früh, beschleunigt aber nach einem Spurwechsel eher gemächlich wieder auf die voreingestellte Geschwindigkeit. Besonders bei mittel bis stark befahrenen Autobahnstrecken ist ein Mitschwimmen im Verkehrsfluss somit nicht immer gegeben, allerdings fühlt er hier sich am wohlsten. Auf kurvigen Landstraßen gibt der Pilot Assist leider recht schnell auf und informiert zusätzlich erst danach, dass wieder manuell gesteuert werden muss.
Dass es sich hier um Feinabstimmungen handelt und Verbesserungen per Softwareupdate möglich sind, zeigt sich auch beim Parkassistenten. Parklücken zwischen parkenden Autos werden zuverlässig erkannt und auch zugig hineinmanövriert, jedoch wurden in unseren Tests zum Teil niedrige Bürgersteigkanten nicht richtig eingeschätzt und befahren, was nur durch Glück keinen Kratzer in der Felge verursachte. Bodenlinien dienen nicht als Referenz für den Parkassistenten und auch die gefundene Parklücke wird auf dem Bildschirm nur schematisch dargestellt. Die Darstellung der Umgebung durch die Parkkamera ist aber umfassend, inkl. Felgenkamera.
EV-spezifische Funktionen
Ihr volles Potenzial spielt die Software vor allem im Bereich der EV-spezifischen Funktionen aus. Neben der gewohnt einwandfreien Routenführung durch Google Maps wurde auch die Laderoutenplanung ausgezeichnet integriert. Ladestopps werden automatisch bei Bedarf auf Prozent genau berechnet und wenn nötig, weil besetzt, umgeplant. Zudem lassen sich diese nach bestimmten Ladeanbietern filtern und weiters kann der Ladestand beim Ziel eigens definiert werden. Eine kleine Verbesserung wäre hier noch die Möglichkeit zur Veränderung des Akkustands an der Ladesäule, da dieser, je nach persönlicher Elektro-Erfahrung, mit 10-15% teilweise recht hoch liegt.
Angekommen an der Ladesäule brilliert Volvo ein weiteres Mal und hat in unseren Tests nicht nur jede errechnete Ladedauer auf die Minute eingehalten, sondern auch die angegebene Ladegeschwindigkeit von rund 150 kW zuverlässig erreicht. Auch eine automatisierte Akku-Vorkonditionierung wurde integriert, die wir aber aufgrund idealer Wetterbedingungen nicht testen konnten.
Ebenso wurde die Funktion One-Pedal-Driving (OPD) integriert, jedoch nicht mit ACC kombiniert, sodass zwar bis zum Stillstand abgebremst wird, aber unabhängig davon, wie weit das vordere Fahrzeug entfernt ist. Zudem kommen sich auf der Autobahn beim Wechsel von Pilot Assist auf ACC beim Auffahren auf ein langsameres Fahrzeug OPD und ACC in die Quere, sodass ein merkbares Ruckeln entsteht. Durch Ausschalten von OPD mittels zwei Klicks auf die richtigen Menüs auf dem Bildschirm lässt sich diese Unstimmigkeit umgehen. In der Stadt verliert man ohne OPD aber die Auto-Hold-Funktion.
Verbrauch
Laut Volvo ist eine Reichweite von 450 km (WLTP) möglich, die innerorts auch tatsächlich selbst von der Twin-Motor-Performance-Variante erreicht werden kann. Bei idealen Bedingungen und vorausschauender Fahrweise ist innerorts ein Verbrauch von 13 kWh möglich, was rechnerisch bei 64 kWh nutzbarer Energie knapp 500 km entsprechen würde. Unter realen Bedingungen hat sich der Verbrauch bei unseren Tests allerdings eher bei rund 15 kWh in der Stadt, 17–19 kWh Überland und zwischen 19 und 22 kWh auf der Autobahn eingependelt.
Fahreindrücke
Schon auf den ersten Metern fällt das sichere und auf Komfort ausgelegte Fahrgefühl auf. Unebenheiten werden durch das Fahrwerk fast unmerklich geschluckt und bietet dadurch, insbesondere auf langen Reisen, ein sehr angenehmes Reisegefühl. Sportlich hingegen wurde die Annahme des Strompedals ausgelegt, sodass die 315 kW kombinierte Leistung und 543 Nm Drehmoment in unserem Testwagen ohne Verzögerung freigeschaltet werden. Die Lenkung ist in der höchsten Stufe relativ direkt und lässt auch eine sehr sportliche Fahrweise zu. Darüber hinaus ist es möglich, diese noch zwei Stufen weicher einzustellen, wodurch jedoch nur noch ein minimales Lenkgefühl vermittelt wird.
Dass jegliche Fahrinformation auf den zentralen Bildschirm verschoben wurde, fällt selbst nach einer Eingewöhnungsphase immer noch negativ auf. Zählt man die Blicke aufgrund von Warntönen, Navigation und Displaybedienung durch fehlende Knöpfe hinzu, ist die Aufmerksamkeit ziemlich oft vom Fahrgeschehen abgelenkt.
Seinen wesentlichen Vorteil spielt der EX30 durch seine kompakte Bauweise und vergleichsweise hohe Wendigkeit aus, wodurch enge Landstraßen oder Parkhäuser kein Hindernis darstellen und er sich selbst durch verzweigte Gassen in der Stadt leicht navigieren lässt.
Fazit
Volvo hat mit dem EX30 einen kompakten Elektro-SUV vorgelegt, der beim Fahrgefühl, der Sicherheit und einer nahtlosen Integration wichtiger Elektro-spezifischer Funktionen punktet. Die Gestaltung des Fahrzeugs Außen wie Innen zeugt von der Intention, entlang der bestehenden Modelle elektrisch Fahren neu zu interpretieren und durch Berücksichtigung ressourcenschonender Produktion auch einen ganzheitlichen Ansatz von CO₂-armer Mobilität nicht zu vernachlässigen. Die selbst in der Basisversion umfangreich enthaltenen Assistenzsysteme sind zwar noch nicht ideal (aufeinander) abgestimmt und auch die Fokussierung auf ein zentrales Display für alle Fahrinformationen ist nicht zweckdienlich, jedoch hat Volvo ein insgesamt solides und in sich stimmiges Fahrzeug entwickelt, dass trotz geringer Abmessungen, viel Raum für die täglichen Anforderungen bietet.
Datenblatt
Preis | 53 070 € (Twin Motor Performance) |
Leistung | 315 kW |
max. Drehmoment | 543 Nm |
Beschleunigung | 3,6 s |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
Leergewicht | 1960 kg |
Ladevolumen | 318-904 L |
Batteriekapazität | 69 kWh (Brutto), 64 kWh (Netto) |
Ladegeschwindigkeit (AC/DC) | max. 11 kW/max. 153 kW |
Reichweite | 450 (WLTP) |
Abmessungen | 1550 mm (H), 1838 mm (B ohne Spiegel), 4233 mm (Länge) |
Redaktioneller Hinweis: Das Testauto wurde von Volvo für einen Zeitraum von 2 Wochen zur Verfügung gestellt. Enthalten waren die Sonderausstattungen „abgedunkelte Seiten- und Heckscheiben“, Lenkrad- und Sitzheizung vorn, sowie 20 Zoll Bereifung bei einem gesamten Fahrzeugpreis von 54 890 €. Es wurde kein Einfluss auf unsere Berichterstattung genommen.