Mit dem neuen Topmodell der ID-Serie räumt VW mit allen Vorurteilen auf und zeigt eindrucksvoll, welchen Komfort elektrisch reisen bieten kann.
Trotz überzeugender Modelle ist die ID-Serie von Volkswagen in der Beurteilung bisher durchwachsen angenommen worden und geprägt von Kritik an verwendeten Materialien und installierter Software. Mit der neueste Schräghecklimousine deckt VW nun eine weitere Fahrzeugklasse innerhalb der Elektroreihe ab, mit dem Versprechen, alles besser zu machen. Wir hatten knapp zwei Wochen Zeit, den ID.7 auf Herz und Nieren zu testen und waren überrascht!
Außen
Bei Annäherung an den ID.7 wird man freundlich von der Lichtsignatur begrüßt, bei der besonders im Dunkeln die durchgehenden LED-Bänder hervorstechen. Über Design lässt sich bekanntlich streiten, jedoch fallen gleich zu Beginn die aerodynamischen Formen der Karosserie auf, die vor allem in der Seitenansicht ein schlüssiges Gesamtbild abgeben. Eingelassene Türgriffe, Aircurtains und weitere Karosserie- sowie Felgenformen sorgen für eine erhöhte Effizienz, die sich beim Verbrauch bemerkbar macht. Auch die Spaltmaße sind sehr gut verarbeitet und lassen keinen Raum für Verwirbelungen. Verborgen bleibt aber nicht die Länge des Fahrzeugs. Mit fast fünf Metern Länge ragt der ID.7 aus fast jedem Parkplatz heraus.
Innen
Die einheitliche Linienführung setzt sich auch im Innenbereich fort und wird betont durch die durchgehende Ambientebeleuchtung, die auch in die hinteren Sitzreihen ragt. Sie rundet das Interieur ab, das sich alles in allem solide anfühlt. Natürlich stößt man in der Türverkleidung, bei der Mittelkonsole oder im hinteren Cockpitbereich auf Kunststoff, jedoch stört dieser nicht übermäßig, da nahezu alle Bereiche für den täglichen Gebrauch entweder mit Stoff ausgekleidet oder unterschäumt sind. Ausnahme hiervon ist der Klavierlack für die Spiegel- und Fensterbedienung (der magisch Kratzer und Fingerabdrücke anzieht) sowie das Rollo in der Mittelkonsole.
Unter dieser befindet sich die drahtlose Ladeschale für das Smartphone sowie zwei USB-C Ports und Becherhalter, die baulich getrennt sind und somit den Rest des Faches vor auslaufenden Flüssigkeiten schützen. Zudem können sie leicht ausgebaut und gereinigt werden. Die Mittelkonsole ist jedoch nur der Auftakt des üppigen Platzangebots in der vorderen Reihe: Neben der Türverkleidung mit einer Aussparung passend für 1-Liter-Flaschen, ist unterhalb der Mittelkonsole eine Ablagefläche sowie davor ein tiefes Staufach mit herausnehmbarer Fächerunterteilung vorhanden. Wem das nicht reicht, kann noch auf ein mittelgroßes Handschuhfach ausweichen.
Platz ist auch für Passagiere verfügbar, und zwar reichlich, sofern nicht mehr als vier Personen mitfahren. Die hinteren Plätze haben selbst bei großen Fahrer:innen ausreichend Beinfreiheit und einen geringen Beinwinkel zur Sitzfläche. Die Rücklehne ist allerdings nicht verstellbar. Insgesamt ist ein hoher Reisekomfort gewährleistet und durch leicht erreichbare ISO-Fix-Punkte können auch kleinere Passagiere sicher mitreisen. Ein mittlerer Sitz ist zwar theoretisch vorhanden, jedoch ist hier der Sitzkomfort stark eingeschränkt und eignet sich eher zur Nutzung der integrierten Mittelarmlehne mit Getränkehalter für die hinteren Plätze.
Gemessen an der Karosserieform ist auch im Kofferraum ausreichend Stauraum vorhanden. Durch Haken, seitliche Staufächer und einem doppelten Boden sind für den täglichen Gebrauch genug Aufbewahrungsflächen vorhanden, jedoch stößt man bei sperrigen Gegenständen schnell an Grenzen. Laut Werksangabe sind hier 532 Liter bzw. maximal 1586 Liter Laderaumvolumen bei umgeklappter Rücksitzbank (60/40) möglich. Übersetzt bedeutet das in der Realität, durch die abfallendende Hecklinie, lediglich Platz für 3 bzw. maximal 9 mittlere Umzugskartons. Für überlange Gegenstände gibt es hingegen eine Durchreiche in der hinteren Sitzbank. Positiv ist in diesem Zusammenhang die große Heckklappe zu erwähnen, die es ermöglicht, relativ einfach den hinteren Teil des Kofferraums zu erreichen, z.B., um das Ladekabel herauszunehmen, da dies leider mangels Frunk hinten verstaut werden muss.
Bedienung
Nachdem alles untergebracht wurde, kann die Reise geplant werden. Hier wartet VW mit einer einmaligen Bedieneinheit auf. Nahezu verzögerungsfrei können Navi, Klimatisierung und Co. über das zentrale Display angesteuert werden. Vor allem die Navigation ist wesentlich verbessert und an die Notwendigkeiten des elektrischen Fahrens angepasst worden. Sollte der Ladestand nicht ausreichen, werden umgehend nach Zieleingabe Ladestationen eingeplant und in der Übersicht angezeigt, inkl. aller Infos zu Ladestand bei Ankunft, Abfahrt, Zeitverbrauch usw. Zudem ist eine Liste an verfügbaren Ladepunkten in der Nähe jederzeit abrufbar. Anzumerken ist aber, dass Ladesäulen zwar nach Geschwindigkeit gefiltert werden können, jedoch nicht nach einzelnen Ladeanbietern (ausgenommen WeCharge und Ionity). Ebenso wäre es hilfreich, wenn die Navigationsübersicht zumindest am Anfang vollständig angezeigt wird, sodass der Verlauf gleich ersichtlich ist und nicht durch zusätzliche Klicks aufgerufen werden muss.
Insbesondere für Smartphonenutzer:innen ist die Bedienung und Anordnung des Homescreen selbsterklärend und per Drag&Drop in hohem Maße individualisierbar. Eine Sprachsteuerung ist auch hier untergebracht und beantwortet dank Einbindung von ChatGPT alle brennenden Fragen.
Einstellmöglichkeiten finden sich bei den Assistenzsystemen zuhauf, sodass diese an den jeweiligen Fahrstil innerhalb der gesetzlichen Regularien angepasst werden können (z.B. Toleranzen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen usw.).
Kritikwürdig ist jedoch die haptische Bedienung sowohl am Lenkrad und bei den Fensterhebern. Abgesehen von der fehlenden Möglichkeit Musik zu pausieren oder Anrufe anzunehmen/zu beenden, befinden sich am Lenkrad Touchpad ähnliche „Knöpfe“ mit Druckpunkt, die mehr Bedienfehler als alles andere verursachen. Beim Versuch den Tempomaten über „Set“ einzustellen, gibt es kein haptisches Feedback und man ist gezwungen visuell zu überprüfen, ob der Befehl angenommen wurde. Durch das fehlende haptische Feedback ist es zudem ohne Sichtprüfung Glücksache, welche Fensterreihe geöffnet wird, da hier per Touchpadeingabe zwischen vordere und hintere Sitzreihe unterschieden wird.
Positiv fällt hingegen die Einbettung des Head-Up-Displays auf, das neben den üblichen Geschwindigkeits-, Verbrauchs- oder Assistenzangaben auch augmented reality Navigationsanweisungen präzise darstellt und für wenig Ablenkung vom Straßengeschehen sorgt. Zugleich ist es eine gute Ergänzung zum relativ kleinen Display hinter dem Lenkrad.
EV-spezifische Funktionen
Den erhöhten Anforderungen an ein Elektroauto wird der ID.7 zum größten Teil gerecht. Neben der bereits erwähnten Navigation mit integrierter Ladeplanung und zeitgerechten Updates zu verfügbaren Ladepunkte, gibt es die Möglichkeit für eine manuelle Batterievorkonditionierung. Die Extrameile ist VW bei der Echtzeitanzeige der möglichen maximalen Ladegeschwindigkeit gegangen, die teils an der Ladesäule auch noch übertroffen wird.
Geladen werden kann der 77kwh-Akku mit wahlweise 11kw (AC) oder bis zu 175kw (DC). Hier sind teilweise sogar Peakleistungen von 185kw in der Praxis möglich. Während die Schnellladefähigkeit im oberen Mittelfeld liegt und bei der Reisetauglichkeit mit 25 Minuten von 10-80% ein schnelles Vorankommen ermöglicht, zieht sich eine Ladung über AC. Hier sind für eine Ladung auf den gleichen Akkustand knapp 6 Stunden nötig und kollidiert damit mit den Blockierregulierungen der meisten Ladeanbieter. Nicht nur für Personen, die auf öffentliche Lademöglichkeiten angewiesen sind, wäre eine Möglichkeit für 22kw AC sehr sinnvoll gewesen. Um die Reichweiteneinbußen im Winter zu verhindern, ist (gegen Aufpreis) eine Wärmepumpe möglich.
Vorklimatisierung, Standklima während der Ladung und weitere Annehmlichkeiten eines Elektroautos sind ebenso vorhanden. Einzig eine mehrstufige Rekuperation fehlt, die Auswahl muss hier zwischen D und B getroffen werden. Auch One-Pedal-Driving und Abbremsen bis zum Stillstand sind nicht möglich. Abhilfe schafft der Abstandsassistent, der über weite Strecken hinweg die Rekuperation nach Notwendigkeit regelt.
Fahreindrücke
Obwohl es aufgrund der äußeren Abmessung nicht so erscheinen mag, spielt der ID.7 eine seiner zentralen Stärken beim Fahren auch im städtischen Bereich aus. Die Progressivlenkung ist einerseits sportlich direkt und vermittelt ein sicheres Gefühl zwischen Fahrer:in und Straße, andererseits aber auch sehr agil, was sich besonders beim Wendekreis von knapp 11m bemerkbar macht. Nicht nur enge Landstraßenkurven sind damit kein Hindernis, sondern auch, sofern die Lücke groß genug ist, das Einparken in der Stadt. Unterstützt wird hier durch eine Vielzahl an Kamerawinkeln, die je nach Bedarf inkl. Felgenkamera ausgewählt werden können. Bei schnellen Parkmanövern ist aber eine leichte Verzögerung im Kamerabild zu spüren. Hilfreich ist zudem der Einparkassistent, der treffsicher in vorhandene Lücken rein und raus manövriert. Anzumerken ist aber, dass die Auswahl der Lücke auf dem Bildschirm nur schematisch dargestellt wird und der Assistent sich an anderen Autos orientiert. Parken andere schief zur Bodenmarkierung, wird man selbst schief eingeparkt. Zudem werden Sperrflächen und Ähnliches ignoriert.
Merkbar in seinem Element ist der ID.7 auf Autobahnen und Schnellstraßen. Schnell stellt sich Entspannung ein, insbesondere durch die Unterstützung der Fahrassistenten, die auch bei schwierigen Situationen, wie Baustellenführungen oder starkem Regen, nicht aufgeben. Einzig die Schildererkennung ist leicht verzögert und teilweise falsch bzw. bezieht sich auf veraltete Daten. Hier kann im Zusammenspiel mit der automatischen Beschleunigung bzw. Bremsung des Travelassist der Komfort leiden.
Eindrucksvoll ist jedenfalls das (aufpreispflichtige) Fahrwerk, das neben voreingestellten Modi zusätzlich frei auf die eigenen Vorlieben zu Dämpfung, Antrieb und weiteren Fahrzeugeigenschaften eingestellt werden kann. Dabei ist eine gute Balance gefunden worden, zwischen der freien Wahlmöglichkeit und einem sicheren Fahrverhalten in allen Einstellungen.
Sicher fährt sich der ID.7 ebenso bei dunklen Lichtverhältnissen und sorgt dank Matrix-LED für eine sehr gute Ausleuchtung der Fahrbahn, die entgegenkommenden Verkehr ausspart. Einzig bei einer Trennung der Fahrbahnen durch Betonleitwände werden LKW nicht immer zuverlässig erkannt.
Sehen lassen kann sich auch der Verbrauch. Über unseren gesamten Messzeitraum hatten wir letztendlich einen Verbrauch von 15.9 kwh auf dem Bordcomputer stehen, der aus einem ausgeglichenen Mix von Autobahn, Landstraße und Stadt bestand. Beeindruckend war zudem die Effizienz bei höheren Geschwindigkeiten. 16-18 kwh reichen aus, um den ID.7 mit 130 über die Autobahn zu bewegen. Selbst bei schlechten Wetterbedingungen stieg der Verbrauch bei frühlingshaften Temperaturen nicht über 20 kwh. Unter diesen Bedingungen sind in der Praxis damit im Durchschnitt rund 480km, bzw. 420km Autobahnreichweite möglich. Bei idealen Bedingungen und Fahrten hauptsächlich im städtischen Bereich ist auch ein Spitzenwert von 13 kwh erreichbar.
Fazit
Bereits nach 2 Testwochen fiel es schwer, den ID.7 wieder zurückzugeben. VW hat zugehört, umgesetzt und ein Fahrzeug entwickelt, dass wenig Kritikpunkte und Wünsche offenlässt. Sowohl die Bedienung und Schnelligkeit des Infotainmentsystems, als auch die Einbindung von Elektroauto-spezifischen Funktionen, zeugt von einem durchdachten und ganzheitlichen Ansatz. Zudem sorgen Reichweite, Ladeleistung und Assistenzsysteme auch auf Langstrecke für ein sehr komfortables Reisegefühl mit einem beachtlichen geringen Verbrauch. Auch in der Stadt müssen abseits der Abmessungen keine Abstriche gemacht werden, da hier unter anderem durch die Progressivlenkung für eine hohe Wendigkeit gesorgt wurde.
Disclaimer
Das Testauto wurde von VW für einen Zeitraum von 2 Wochen zur Verfügung gestellt. Enthalten waren die Sonderausstattungen Assistenz und Komfortpaket, Exterieur-Paket Plus, Interieur-Paket Plus, Wärmepumpe und 20“ Räder und Textilmatten für insgesamt 73,725€. Es wurde kein Einfluss auf unsere Berichterstattung genommen.