Honda e – Praxistest

Praxistest des Honda e von Paul Belcl. Ich frage mich immer beim Testen warum man in Elektroautos nicht immer einen Heckantrieb einbaut. Bei meinem Testfahrzeug Honda-e Advance ist das genauso. Der kleine Stadtflitzer hat nicht nur Heckantrieb, sondern mit 154 PS (113 kW) genug Leistung, das garantiert Spaß ohne Ende.

Die beeindruckendste Sache in diesem Auto ist allerdings nicht die Leistung, sondern der Innenraum. Eine geniale Mischung aus Entertainment und gezieltes Weglassen von unnötigen Elementen macht sich hier sofort bemerkbar. Der 13,8 Zoll Dual Touchscreen wird ergänzt durch weitere Bildschirme für Innen und Außenspiegel, die sich in ein geniales Bildschirmband zusammenfügen. Ein ganz besonderer Eindruck entsteht, fast wie in einem Imax Kino.

Viele verspielte Details lassen während meines Tests immer wieder Freude am Entdecken aufkommen, aber dazu mehr unter “Entertainment”.

Technik

Die Top Ausstattung Advance hat 154 PS (113 kW) und 315 Nm Drehmoment. Beschleunigung in 8,3 Sek auf 100km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 145 m/h ist für ein Stadtauto genug um auch auf der Autobahn mithalten zu können. In der günstigeren Ausstattung hat der kleine Flitzer 136 PS (100 kW), was immer noch genug ist für ein Auto mit ca. 1500 kg Gewicht und 4 Sitzplätzen. Der Kofferraum ist mit 171 Liter zwar nicht üppig, passt aber zum Konzept dieses Kleinwagens.

Die 35,5 kWh Lithium Ionen Batterie ist flüssig gekühlt und soll mit einem Verbrauch von 17,2 kWh eine Reichweite von 222km (WLTP) schaffen.

Die Assistenz Systeme “Honda SENSING” sind äußerst vielfältig! Die wichtigsten sind: Präventiver Fahrerassistent, Kollisionswarnsystem, Aktiver Spurhalteassistent (mit Lenkunterstützung), · Adaptive Geschwindigkeitsregelung (mit Stauassistent), Verkehrszeichenerkennung, Intelligente Adaptive Geschwindigkeitsregelung, Anfahrassistent, Notbremsfunktion bei niedriger Geschwindigkeit. Alle Systeme die ich getestet habe, funktionierten wie erwartet oder besser.

Interessant finde ich, dass es für den Honda-E auch einen Fahrradträger mit bis zu 53kg Stützlast gibt.
Laden kann der Kleine mit Wechselstrom einphasig 6,5 kW und am Schnellader mit 40kW. Damit ist er von 0-80% in 30 Min.

Praxistest

Schon von außen sieht der Honda-e sehr hübsch aus. Der etwas schüchterne Ausdruck der runden Lichter gibt ihm einen leicht kindlichen Touch. Das täuscht allerdings, denn der Kleine hat es faustdick unter der Haube. Die Karosserie integriert hervorragend alle nötigen Elemente und das ganze gibt ein stimmiges Äußeres. Einige der Lichtfunktionen sind verspielt animiert, das gefällt mir.

Beim Einsteigen kommt nach dem ersten Start der “Whoow” Effekt. Alles Bildschirm oder was? Wie schon anfangs beschrieben besteht nahezu das gesamte Armaturenbrett aus mehreren Touch Bildschirmen. In der Mittelkonsole sind Tasten für die Fahreinstellungen und ein simples Ablagefach mit Unterteilmöglichkeit. Der Mitteltunnel ist nicht bis ins Armaturenbrett weitergezogen sondern endet vorher. In der unteren Mitte des Armaturenbretts gibt es 2 x USB, einen HDMI Anschuss und eine Steckdose für 220V und 1500 Watt Leistung, das habe ich noch selten in einem Auto gesehen!
Man kann die Anzeigeelemente sehr flexibel auf die beiden Hauptschirme verteilen und auch hin und her schieben. Einige Funktionen lassen sich nicht während der Fahrt aufrufen, sondern nur wenn das Fahrzeug steht. Die Navigation findet Ladestationen nach Ladeleistung. Wenn man den Filter auch “alle” stellt sind die angezeigten Lademöglichkeiten überraschend vollständig. Vollgeladen bekomme ich eine tatsächliche Reichweite von 189 km angezeigt.

Beim Losfahren fällt mir auf, dass der Honda-e die Handbremse nicht automatisch löst. Wenn ich das Auto gestartet habe, die Bremse betätige und “Drive” auswähle könnte er durchaus erkennen, dass ich losfahren will. Nach kurzer Zeit komme ich drauf, dass die Handbremse nur dann automatisch gelöst wird, wenn ich mich angeschnallt habe. Bin ich nicht angeschnallt, muss ich die Handbremse selbst lösen. Ich finde das genial, denn so bekomme ich zwar den Hinweis, dass ich was vergessen hab, aber werde nicht unnötig bevormundet!

Während der Fahrt fällt mir auf, dass der kleine Honda nicht nur sehr flott beschleunigt, sondern auch, dank Heckantrieb, einen sehr kleinen Wendekreis von 8,6 Meter hat. Die Straßenlage ist sehr gut, die Federung sportlich, aber nicht zu hart und das Fahrgefühl gleicht ein kleines bisschen einem GoKart.
Es gibt zwei Fahrmodi (Normal, Sport) die sich in der Beschleunigung merklich aber nicht extrem unterscheiden. Mit den Padels am Lenkrad kann man eine leichte Rekuperation in 4 Stufen erzeugen. Diese ist aber nicht stark genug um das Fahrzeug damit effektiv abzubremsen. Drück man allerdings die Taste für “One Pedal Driving” in der Mittelkonsole unter dem Wählhebel des Fahrbetriebs, kann man den Honda wirklich mit nur einem Pedal sehr zuverlässig durch die Stadt fahren, ohne das Bremspedal auch nur berühren zu müssen. In diesem Modus ist die Rekuperation stark genug um das Fahrzeug auch bis zum Stillstand abzubremsen. Mir gefällt diese Option sehr gut, denn sie ermöglicht ein komplett anderes fahren , an das man sich speziell in der Stadt sehr schnell gewöhnt!

Man findet auch in meiner Größe mit 195 cm in Honda eine gute Sitzposition mit ausreichend Seitenhalt. Durch die sehr offene Bauweise des Fußraumes ist ausreichend Raum, die Knie frei zu haben. Lehne ich meine langen Knie allerdings zu fest am Armaturenbrett an, dann wird es plötzlich warm am Hintern, weil ich mit den Knien die Sitzheizung aktiviere. Diese arbeitet jedenfalls sehr effizient.
Ich fahre während der Teststellung ca. 400 km mit dem Honda-e. Er lässt sich sehr agil bewegen und macht auf Stadt, Land und Autobahn Spaß. Wenn man in der Kurve das Strompedal zu stark aktiviert, reagiert er mit leichtem Untersteuern. Übertreibt man das, dann greift das ESP sehr effizient ein und bringt das Fahrzeug wieder in die richtige Spur.

In der Stadt muss man mit dem kleinen Flitzer extrem aufpassen, denn er ist so schnell über der Höchstgeschwindigkeit, dass man es nicht immer mitbekommt. Dafür gibt es im Bordcomputer eine besondere Einstellung. Man kann zwei beliebige Geschwindigkeiten programmieren, bei denen der Honda-E eine rotes Symbol einblendet und einen unaufdringlichen Ton abspielt, sofern man sie überschreitet. Finde ich sehr praktisch, da ich notorisch vergesse auf den Tacho zu sehen …
Der Adaptive Tempomat funktioniert sehr zuverlässig. Er schafft es im Fließverkehr sogar ohne Probleme durch einen Kreisverkehr zu fahren, ohne unkontrollierbare Fahrmanöver zu erzeugen. Das können nicht viele Autos!

Der Verbrauch variiert je nach Fahrweise zwischen 15 kWh – 19 kWh auf 100km. Für die gebotene Leistung ein sehr guter Verbrauchswert! Beim Laden gibt es keine Besonderheiten, außer dass der Kleine den Typ2 Stecker nicht beim Öffnen der Zentralverriegelung automatisch freigibt! Man muss erst den kleinen Knopf im Inneren der Ladeklappe drücken. Das in meiner dunklen Garage zu entdecken hat mich beim ersten Mal einige Zeit gekostet…

Besonderheiten und Entertainment

Normalerweise baue ich die Besonderheiten eines Fahrzeuges immer in den Praxisbericht ein. Der Kleine Honda hat allerdings so viele innovative Funktionen, dass ich hier einige davon genauer beschreiben möchte.

  • Kameras statt Seitenspiegel
    Diese befinden sich im gleitenden Sichtfeld zu einem nicht vorhandenen Außenspiegel und sind nach kurzer Zeit intuitiv zu verwenden. Sie sind extrem gut aufgelöst und zeigen daher ein sehr exaktes scharfes Bild.
  • Kamera statt Innenspiegel
    Auch eine interessante Idee, aber für mich als Brillenträger etwas schwer zu fokussieren, da ich ja beim Autofahren eine Fernbrille trage. Gewöhnungsbedürftig, aber durchaus OK.
  • HDMI Anschluss für Video Wiedergabe
    Habe zum Test in meiner Garage einen Videostick in den HDMI Port angeschlossen. Damit konnte ich ohne Probleme einen kurzen Film ansehen. Hervorragend wenn mal man zum Entspannen ins Auto ausweichen will (muss) …
  • 220V Anschluss für Elektrogerät bis 1500 W
    Sehr naheliegend, da im Auto ja eine Batterie verbaut ist, aber bis jetzt noch selten in einem Auto gesehen. Reicht jedenfalls um eine kleine Nespressomaschine anzuschließen, wenn man mal jemanden im Auto auf einen Kaffee einladen möchte…

Fazit

Der Honda-e macht auf den ersten Blick einen lieblichen Eindruck. Dabei ist er ein sehr sportliches Fahrzeug für die Stadt und die Kurzstrecke. Es gibt in diesem Auto unzählige innovative Funktionen, die ich bis jetzt in keinem anderen Auto gesehen habe. Am beeindruckendsten sind die Bildschirme, die sich über die gesamte Fahrzeugbreite harmonisch im Armaturenbrett verteilen. Innovative Bedienung und viele verspielte Funktionen machen den Honda-e zu einem sehr interessanten Gesamtpaket. Man bekommt in der Topausstattung “Advance” mehr als man erwartet, allerdings auch zu einem Preis der für einen Kleinwagen kein Schnäppchen ist.

Als Gegenwert gibt es ein sehr gut verarbeitetes Auto, das einen sehr hochwertigen Eindruck hinterlässt und zuverlässig funktioniert.

Ich hatte schon lange keinen so starken Kaufimpuls, als bei diesem kleinen Flitzer und würde ihn jederzeit wieder gerne für einige Zeit fahren. Er ist hervorragend geeignet für Leute die Innovation in Perfektion suchen und eine kompaktes Auto ohne Langstreckenambitionen brauchen.

Update: Dr. Ellmauthaler – Juli 2023

Straßenlage: Sehr gut
Bremsen: Verzögerung auch außerhalb der Rekuperation sehr gut, aber das Bremspedal fühlt sich “schwammig” an, sobald das Fahrzeug steht.
Rekuperation v.a. mit Lenkrad-Taster: Hervorragend!

Störend: Abrupte Notbremsung beim langsamen Heranrollen an eine Garagen-Wand. Das Fahrzeug steht, als sei man dagegen gedonnert, ca. 80cm von der Mauer entfernt.

Unbrauchbar: Rest-Kilometer-Reichweiten-Rechner.
Die noch verfügbaren Kilometer werden nicht nachvollziehbar einmal mehr, dann weniger, selbst bei 100% Ladezustand werden beim Einschalten unterschiedliche Reichweiten errechnet: zwischen 211 und 267 Kilometer. Offenbar wird das Fahrverhalten der vergangenen Stunden bzw. Tage mit einbezogen, was mit dem anstehenden Verbrauch nichts zu tun hat.

Fehlt: Tages-Kilometerzähler

Beleuchtung:
Automatik schaltet selbst bei Sonnenlicht gelegentlich den Nacht-/Garagenmodus ein, lässt sich dann nicht abschalten. Das passiert v.a. dann, wenn schwarze KFZ voraus sind.
Sonst sehr gut, besonders das Rückfahrlicht in der dunklen Garage.
Fehler: Das Abblendlicht schaltet sich bisweilen auch ungewollt ein, bevor das Fahrzeug abgeschaltet wird, und muss dann gesondert abgeschaltet werden. In allen Fällen bleibt das “Standlicht” übrig und erlischt nach Versperren.

Einschalten:
Das Fahrzeug geht in Bereitschaft, sobald man sich mit dem Schlüssel auf etwa 2 Meter nähert (Standlicht blinkt und schaltet sich ein).
Das geschieht selbst dann, wenn man im Menü die automatische Schlüsselfunktion AUS-geschaltet hat.

Betriebsbereitschaft wird sofort nach dem Einsteigen beim Schließen der Fahrertüre hergestellt.
Das macht gelegentlich Stress. Wir wollen erst dann das Fahrzeug in Betrieb nehmen, wenn wir dazu bereit sind, denn Betriebsbereitschaft bedeutet, auf die Bremse treten zu müssen.

Hilfssysteme: Wer sie braucht, lässt sie an.

Die Einparkhilfe hat bei Rückwärts-Einparken erstaunliche Kamera-Perspektiven (Vogelperspektive, samt Graphiken).

Mangelhaft: Spurhalte-Assistent irrt häufig.

Bei kontrastreich gestalteten weißen Linien auf neuen Fahrbahnen rüttelt das Lenkrad, selbst wenn man blinkt und eine Ausfahrt ansteuern will. Schatten von Leitschienen (z.B. morgens / abends in Fahrbahnmitte) führen ebenfalls zu irrigen Warnungen. Schwarz übermalte, ungültige Baustellen-Markierungen (z.B. Fahrbahn-Verschwenkungen) werden falsch als gültig interpretiert:
Das ist unangenehm, wenn solche Linien schräg über die Überholspur zu längst geschlossenen Leitlinien führen. Hier muss man aktiv gegen das Rütteln und Piepen anlenken.

Mangelhaft: Honda-Navigationssystem.

  1. Unter “schnellere Streckenführung” werden maximale Streckenlängen angeboten, die oft auf engen Bundesstraßen über Land führen (ohne Ladesäulen!). In der Praxis gemessen:
    1. Flughafen Wien – Wien-Essling: 25 km (auf Autobahn) 28 km (über Landesstraßen, durch Ortschaften, über Wiener Donauhafen): Vorgeschlagene Route: über Hainburg und Groß Enzersdorf: 68 km, das ist mehr als die 2,5-fache Wegstrecke.
    2. Wien-Essling nach Krems/Donau: 78 km über Autobahn A 4 und S 5. Vorgeschlagene Route: Essling – Süßenbrunn – Korneuburg (Stadtdurchfahrt) – B3 – Stockerau (Stadtdurchfahrt) – Horn – Waldviertel-Bundesstraße – Krems: 169 km. Das ist ebenfalls fast die 2,5-fache Wegstrecke. Derlei Umwege sind für ein E-Fahrzeug mit eingeschränkter Reichweite unangebracht.
  2. Bei “unerlaubtem” Wechsel zu anderen Routen kann das Display einfrieren. Man hört dann akustische Hinweise, zu wenden, abzufahren, andere Straßen zu nutzen etc.
    Bei bekannten Strecken ist das nur irritierend, in völlig fremder Umgebung kann das zum Chaos führen, besonders dann, wenn das Display “einfriert”.
  3. Ein “eingefrorenes” Display lässt sich bisweilen selbst durch Anhalten und Ausschalten des Fahrzeugs (auch über Nacht!) nicht wieder zum Laufen bringen. Aktuell fahren wir den zweiten Tag ohne funktionierendes Honda-Navi.
  4. Die Ansagen sind viel zu wortreich, Städte- und Straßennamen werden oft verkehrt ausgesprochen, was z.B. beim Garmin Navi nie der Fall ist. Für Stockerau hört man “Stocker-Au” bzw. “Stocker-Auer-Straa-sse” usw.
  5. In unregelmäßigen Abständen wird das Navigations-Bild abgeschaltet, und eine viel zu laute Stimme stellt rigoros fest, dass man “kein gültiges Abo” habe.
    Wir haben darauf das – nach zwei Tagen immer noch “eingefrorene” Honda-Navi komplett abgeschaltet und das alte Garmin Navi als Zusatzgerät unterhalb der Heizungs-Steuerung eingebaut. Dieses funktioniert seit Jahren perfekt über Gratis-Updates per Downloads über den lokalen Rechner.

Elektronik:
Die Vielzahl der Kameras und Sensoren mag außerhalb der Werksgarantie zum Problem werden.
So ist sogar der Innen-Rückspiegel an eine Außenkamera angeschlossen. Das gibt ein unzutreffendes Bild, außerdem wird er rasch warm. Alternative: Abschalten durch Kippen in den Blendschutz, der dunkel ist, aber zumindest eine realistische Sicht bietet.

Ladevorgang über 230 V Haushaltsstrom:
Funktioniert perfekt über Nacht, etwa von 40% bis 100% in ca. 7 Stunden. Die interne Zeitschaltuhr ist allerdings ohne Satelliten-Empfang (eben in der Garage) unbrauchbar.
Tipp: Externe elektronische Zeitschaltuhr (230 V / 50 Hz / bis 3.200 W genormt) auf die benötigten Ein-/Aus-Schaltzeiten programmieren und kabellos zwischen Stecker und Dose einbauen.
Kosten: ca. 15 Euro im Elektronikfachhandel.

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