Praxistest – Renault Scenic E-Tech Electric

Viel Platz, moderner Look, kleine Schwächen

Der Renault Scenic E-Tech Electric verspricht mit seinem 220 PS starken Antrieb und einer Reichweite von bis zu 620 km (WLTP) eine spannende Option für Familien und Langstreckenfahrer. Nach zwei Wochen Testzeit unter winterlichen Bedingungen hat sich gezeigt, dass der Scenic viele Stärken als auch kleinere Schwächen aufweist.

Verbrauch und Reichweite

Besonders bei Autobahnfahrten zeigte der Scenic einen hohen Verbrauch: Mit durchschnittlich 25 kWh/100 km mit Winterreifen und bei niedrigen Temperaturen reduziert sich die reale Reichweite deutlich. Auf der Landstraße war der Verbrauch mit 21-23 kWh/100 km moderater, bleibt aber über dem Durchschnitt vergleichbarer Modelle. Auch in der Stadt ließ sich der Verbrauch bei winterlichen Bedingungen nicht unter 17 kWh drücken. So ergibt sich eine reale Reichweite von knapp 380 km, bzw. gut 500 km in der Stadt. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die realen Reichweiten für alle drei Bedingungen transparent im Fahrerdisplay dargestellt werden, sodass kaum böse Überraschungen möglich sind. Zudem sind unter sommerlichen Bedingungen auf jeden Fall höhere Reichweiten zu erwarten.

Innenraum und Ausstattung

Der Scenic punktet mit einem hochwertigen Innenraumgefühl. Statt billigem Plastik dominieren angenehme Materialien; die Seitenfächer sind weich ausgekleidet und die niedrige Mittelkonsole vermittelt ein luftiges Raumgefühl. Auch darüber hinaus ist der Scenic ein wahres Raumwunder: Der Kofferraum bietet dank vieler Staumöglichkeiten, Befestigungshaken und einem tiefen Ladeboden viel Flexibilität, wird jedoch durch eine hohe Ladekante und den fehlenden Frunk leicht eingeschränkt. Zusätzlich ist kein ebener Ladeboden bei umgeklappten Sitzen möglich. Dennoch ist genug Platz für Gepäck vorhanden, selbst bei voller Besetzung.

Die Platzierung der USB-C-Anschlüsse in der Mittelkonsole ist etwas unglücklich gelöst, da sie den Griff zur Mittelkonsole blockieren. Einmal geöffnet, bietet sie aber viel Stauraum. Positiv hervorzuheben sind zudem die individuell anpassbaren Getränkehalter, die auch größere Behälter sicher fixieren. Auch in den Seitenfächern lassen sich ohne Probleme größere Wasserflaschen unterbringen.

Der Sitzkomfort in der ersten sowie in der zweiten Reihe ist hoch. Besonders die zweite Reihe überzeugt mit viel Beinfreiheit auch bei größeren Fahrer:innen, einem nutzbaren mittleren Sitz und praktischen Funktionen wie der Mittelarmlehne mit Getränke- und Smartphonehaltern sowie weiteren USB-C-Anschlüssen. Ein Highlight des Fahrgastraums ist das Panoramadach „Solarbay“, das durch seine vier Abdunkelungsstufen Flexibilität ermöglicht. Allerdings ist die transparente Einstellung nicht gänzlich durchsichtig, was das Freiheitsgefühl in der zweiten Reihe leicht einschränkt.

EV-Technik und Bedienung

Das Infotainment mit Google-Betriebssystem glänzt durch einfache Bedienung und hervorragende Navigation. Alle relevanten Informationen – wie Ladestand, Geschwindigkeit und Navigation – sind auf dem Display hinter dem Lenkrad übersichtlich und individuell anpassbar. Die vielen Individualisierungsmöglichkeiten des Fahrzeugs sind gut sortiert und einfach zu erreichen.

Die physischen Knöpfe am Lenkrad sind intuitiv zu bedienen und minimieren Ablenkung während der Fahrt. Auch dass viele der alltäglichen Knöpfe, wie Klimaanlage, Spiegeleinstellung u. ä., noch haptisch bedienbar sind, erleichtert die intuitive Bedienung. Die 2-Zonen-Klimaautomatik sorgt für eine angenehme Raumtemperatur, jedoch fehlen separate Einstellungen für die zweite Sitzreihe. Sitz- und Lenkradheizung erwärmen sich prompt, während die Luftheizung über die Düsen etwas langsam reagiert. Über Schaltwippen hinter dem Lenkrad können zudem auch 4 Rekuperationsstufen eingestellt werden, die neben One-Pedal-Driving einen sehr individuellen Fahrstil ermöglichen.

Apple CarPlay und Android Auto funktionieren problemlos und auch die Navigation wird nahtlos auf das Cockpitdisplay übernommen. Zudem ist die Ladeplanung über das Google-basierte System ein Pluspunkt: Ladepunkte werden inklusive Auslastung, voraussichtlichem Ladestand am Ziel oder Zwischenstopp angezeigt. Allerdings fehlt die Möglichkeit, individuelle Ziel-Prozente an Ladesäulen oder bevorzugte Ladepunktbetreiber direkt einzustellen. Eine Filterung nach bekannten Ladekartenanbietern ist hingegen möglich. Ist alles eingestellt, ist sowohl die Routenplanung über die gesamte Strecke zügig erledigt als auch die Einbindung von Zwischenstopps für Ladepausen.

Allerdings fällt diese Ladepause dann leider länger aus. Mit einer maximalen Ladeleistung von knapp 150 kW (im Test maximal 143 kW) dauert es von 10 auf 80 % gut 40 Minuten. Vor allem der frühe Einbruch der Ladeleistung auf 124 kW ab 13 % und ab 40 % SOC sogar auf knapp 90 kW lassen die Tankpausen noch länger erscheinen. Dafür punktet der Scenic bei der AC-Ladung, die auch mit 22 kW und damit innerhalb von rund 4 Stunden ein voller Akku möglich ist. Darüber hinaus ist serienmäßig eine Wärmepumpe verbaut, die die Antriebsbatterie vorkonditionieren kann, sobald eine Ladesäule angesteuert wird.

Geräumiges Cockpit des Renault Scenic

Fahrgefühl und Dynamik

Die Fahrdynamik des Scenic überzeugt: Das Fahrzeug reagiert direkt auf Lenkbewegungen, bleibt auch bei sportlichem Fahrstil stabil in der Spur und zeigt wenig Wanken. Bei niedrigeren Geschwindigkeiten ist die Federung etwas straff, bietet dafür aber auf der Autobahn einen angenehmen Fahrkomfort. Die Beschleunigung ist sanft und deutlich auf Komfort ausgelegt. Positiv fällt die Manövrierfähigkeit auf: Der Wendekreis ist klein genug, um in engen Situationen gut zurechtzukommen. Lediglich die automatische Parkbremse löst sich in diesem Zusammenhang ruckartig, was das präzise Manövrieren erschwert. Diese kann aber schnell und einfach über einen haptischen Knopf ausgeschaltet werden.

Die Assistenzsysteme sind hingegen ausbaufähig. Das adaptive Fernlicht reagiert überwiegend zuverlässig, lediglich bei einsichtigen Kurven wird entgegenkommender Verkehr relativ spät erkannt. Der adaptive Tempomat agiert zuverlässig, bremst ohne spürbaren Eingriff ab und sorgt damit besonders auf Autobahnen für ein entspanntes Fahrgefühl. Die automatische Anpassung der Geschwindigkeit an Verkehrszeichen per Knopfdruck funktioniert gut, allerdings ist das Verkehrszeichenerkennungssystem gelegentlich sehr träge und liegt nicht immer richtig. Zusätzlich kommt vor, dass das System bei längeren Baustellenabschnitten zur ursprünglichen Geschwindigkeitsbegrenzung zurückspringt, obwohl die geänderte Begrenzung noch gilt.

Das Active Driver Assist-System des Scenic zeigt sich in der Praxis leider als nicht vollständig ausgereift. Besonders der Spurführungsassistent weist Schwächen auf: Zumeist orientiert sich das System an der Mittellinie und kommt damit dem Gegenverkehr sehr nahe. In engeren (Autobahn-)Kurven bricht das System häufig ab, wodurch es auf kurvigeren Autobahnen oder Landstraßen kaum zuverlässig nutzbar ist. So gelingt z.B. die automatische Anpassung der Geschwindigkeit in aufeinanderfolgenden Kurven zunächst adäquat, doch bei einem engen Kurvenradius schaltet der Assistent trotz reduzierter Geschwindigkeit oftmals ab, was die Fahrerunterstützung in solchen Situationen einschränkt. Zusätzlich treten bei schlechten Sichtverhältnissen, etwa bei Dunkelheit, vermehrt Fehlfunktionen auf.

Fazit

Der Renault Scenic überzeugt mit modernem Design, hochwertigem Innenraum, großzügigem Platzangebot und vielen Individualisierungsmöglichkeiten. Besonders Familien profitieren von cleveren Details wie anpassbaren Getränkehaltern, flexiblen Staumöglichkeiten und dem angenehmen Komfort in der zweiten Reihe. Das intuitive Google-Infotainmentsystem mit erstklassiger Navigation und durchdachter Ladeplanung sorgt für eine benutzerfreundliche Bedienung.

Allerdings gibt es auch Schwächen: Der hohe Verbrauch im Winter schränkt die Reichweite ein, und die Ladeleistung an DC-Säulen fällt vergleichsweise gering aus. Dadurch dauern Ladepausen länger als bei einigen Konkurrenzmodellen. Technisch ist vor allem bei den Assistenzsystemen wie dem Spurführungsassistenten noch viel Aufholbedarf.

Die Fahrdynamik ist jedoch ein klarer Pluspunkt: präzise Lenkung, hohe Stabilität und komfortables Fahrverhalten unter nahezu allen Bedingungen zeichnen den Scenic aus. Insgesamt überzeugt er als komfortabler und geräumiger Begleiter, der besonders im Alltag durch Platzangebot und Praktikabilität punktet.

Preis  55 550 € (Iconic 220 PS long range)
Leistung  160 kW
max. Drehmoment  300 Nm
Beschleunigung  7,9 s
Höchstgeschwindigkeit  170 km/h
Leergewicht + Fahrer:in  1935 kg
Ladevolumen  545-1670L
Batteriekapazität  87 kWh
Ladegeschwindigkeit (AC/DC)  max. 22 kW/max. 150 kW
Reichweite  625 (WLTP)
Abmessungen  1 571 mm (H), 1908 mm (B ohne Spiegel), 4470  mm (Länge)

Redaktioneller Hinweis: Das Testauto wurde von Renault für einen Zeitraum von einer Woche für einen Praxistest zur Verfügung gestellt. Es wurde kein Einfluss auf unsere Berichterstattung genommen.

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