Der Oberste Gerichtshof in Österreich (OGH) stellt im Urteil Ob 173/19f vom 18.12.2019 klar, dass die Installation eines einphasigen 16A Ladepunkts (3,7 kW) für E-Autos in einem Mehrparteienwohnhaus eine „privilegierte Änderung“ im Sinne des Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ist.
Eine Zustimmung der Miteigentümer des Hauses entfällt also durch dieses Privileg. Es muss kein Nachweis der „Verkehrsüblichkeit“ oder des „wichtigen Interesses“ des Elektroautofahrers erfolgen. Auch der mögliche Bedarf von anderen Mitbewohnern für zukünftige Ladepunkte im selben Wohnhaus spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
Der referenzierte § 16 Absatz 2 des WEG stellt klar: „Der Wohnungseigentümer ist zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt.“. Im Satz 2 des Absatzes wird präzisiert, dass für solche Änderungen auch allgemeine Teile der Liegenschaft verwendet werden dürfen. Die dazu vorgesehenen Voraussetzungen der Nutzung der allgemeinen Teile wegen „Verkehrsüblichkeit“ oder „wichtigem Interesse“ nimmt das OGH Urteil in diesem Zusammenhang als gegeben an und müssen daher nicht extra nachgewiesen werden. Das OGH bewertet in dem Urteil den Einbau eines einphasigen 3,7 kW Ladepunktes außerdem ausdrücklich als „einer Steckdose vergleichbar“.
Das Urteil hält allerding auch fest, dass sich diese Privilegierung der Errichtung eines Ladepunktes lediglich auf einen einphasigen 3,7 kW Anschluß bezieht. Ein 22 kW Ladepunkt ist im Sinne des Urteils weder als „verkehrsüblich“ noch als „wichtiges Interesse“ des Wohnungseigentümers zu bewerten.
Quellen:
OGH: www.ogh.gv.at/entscheidungen/entscheidungen-ogh/installation-einer-wallbox-fuer-einphasiges-laden-eines-e-autos
WEG: www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe
Nur eine 1-phasige Box auf einem 1phasigen Kabel anzuschließen, ist zwar vielleicht „einer Steckdose vergleichbar“, ist aber wegen dem „schiefen“ einphasigen Laden eine technisch denkbar schlechte Lösung. Lieber gleich ein 5poliges Kabel verlegen und eine Wallbox anschließen, die 3phasig laden kann und diese dann auf 3,7 kW abriegeln. (Geht über setzen von Jumpern total einfach). Für einen E-Herd wird auch ein 400Volt-Anschluss verlegt und das ist auch „ortsüblich“. Von außen kann zudem ohnehin niemand erkennen, was genau verlegt wurde. (Ist wieder mal ein Urteil, das auf den ersten Blick logisch erscheint, aber völlig an der Realität vorbei geht und technisch wenig Sinn macht.) Wenn dann früher oder später einmal alle „Smart-Meter“ haben, spricht mE auch nichts dagegen, der Wallbox über einen Laderegler mehr als 3,7 kW zuzuweisen, wenn der restliche Hausanschluss in der Nacht bis auf den Ruhestrom gar nichts zieht. Fazit: Das Urteil bringt mE keine Rechtssicherheit und wurde von jemandem gefällt, der keine Ahnung von der Materie hat. Dass ein 3,7 kW Anschluss „einer Steckdose vergleichbar ist“, ist logisch (beide sind mit 16A abgesichert). Was man jetzt genau einbauen darf, weiß man aber trotzdem nicht. Wir brauchen endlich ein Gesetz, das klar regelt, was erlaubt ist!
Bedeutet das jetzt konkret, dass ich bei den Miteigentümern keine Zustimmung einholen muss oder ist das trotzdem noch nötig, nur wird halt bei nicht 100% Zustimmung ein Ausserstreitrichter „wahrscheinlich“ die fehlenden Zustimmungen ersetzen. Wenn zweiteres, was bringt dann das Ganze?
Hallo Markus,
ja, das bedeutet, dass man bei den Miteigentümern keine Zustimmung mehr einholen muss. Die Errichtung des Ladepunkts ist ein „Privileg“ laut der Definition des Wohnungseigentumsgesetz (WEG) § 16 Absatz 2. Diese „privilegierte Änderung“ (also der Anschluss im Sicherungskasten, die Verlegung der Kabel, die Montage der Wallbox, etc. auf eigene Kosten) bedarf keiner weiteren Zustimmung.
Hallo Philip Kudrna, das OGH Urteil ist ein großer Fortschritt zum Thema „Right to Plug“, weil mit diesem Urteil rechtsverbindlich ausjudiziert wurde, dass ein Ladepunkt errichtet werden darf, ohne vorher die Zustimmung aller anderen Miteigentümer einzuholen zu müssen.
Zu den einzelnen Argumenten:
* Einphasig vs. dreiphasig: Wie schon in dem Artikel (und auch explizit im Urteil angemerkt) wurde diese Veränderung auch am allgemeinen Bereich eines Wohnbaus unter anderem deshalb als „privilegiert Änderung“ im Sinn des §16 gewertet, weil das OGH das als „einer Steckdose vergleichbar“ klassifiziert hat. Außerdem ist es natürlich für die Urteilsfindung auch wesentlich, ob das OGH in diesem Fall im Endausbau ein Recht auf in Summe 20 x 3,7 kW = 74 kW oder auf 20 x 22 kW = 440 kW Gesamtanschlussleistung erlässt.
* „Schieflast“: Grundsätzlich spricht man bei Strömen unter 20A nicht von Schieflast. Auch alle Haushaltsgeräte wie Boiler, Staubsauger, Waschmaschinen und Wäschetrockner werden nur einphasig angeschlossen. Eine einphasige Belastung von bis zu 16A, die an jeder Steckdose möglich ist, stellt kein Problem dar. Der Großteil der heute am Markt befindlichen Elektroautos lädt übrigens einphasig, nur wenige Modelle können zweiphasig oder dreiphasig laden, aber jedes E-Auto kann einphasig laden.
* Die durchschnittliche österreichische Tages-Fahrleistung lässt sich mit 3,7 kW leicht über Nacht nachladen.
* Die „Ortsüblichkeit“ muss im jeweiligen Kontext bewertet werden. Ja, ein dreiphasiger „Starkstrom“-Anschluss ist in einer Küche in Österreich „ortsüblich“ aber (zumindest bisher) nicht in einer österreichischen Garage oder an einem österreichischen Autoabstellplatz.
Ja, dieses OGH Urteil betrachtet nicht alle möglichen Szenarien, das ist auch nicht die Aufgabenstellung im Rahmen der Revision der vorgelagerten Urteile gewesen. Eine Gesetzesvorlage zum „Right to Plug“ ist eigentlich schon unter der vorherigen türkis/blau Regierung ausgearbeitet worden aber leider durch das vorzeitige Ende dieser Regierung nicht mehr beschlossen worden. Wir gehen davon aus, dass diese Gesetzesvorlage im Herbst 2020 bzw. Anfang 2021 wieder auf die parlamentarische Agenda kommt und damit dann eine umfassende österreichische Rechtsgrundlage zum „Right to Plug“ etabliert werden kann. In der Zwischenzeit ist dieses OGH Urteil aus unserer Sicht ein wesentlicher Fortschritt gegenüber der bisherigen Rechtslage.
Obwohl ich in einem Privathaus wohne und daher dieses Problem nicht habe, bin ich sehr froh über dieses Urteil. Damit haben wir E-Fahrer endlich den „Fuß in der Tür“ und jeder kann sich einen Anschluss herstellen. Anfangs war ich auch überrascht wegen nur 3,7 kW, sehe das Urteil mittlerweile als sehr guten und allgemein verträglichen Kompromiss. Den Vergleich mit der Steckdose versteht auch der technische Laie. Und einem E-Auto Gegner werden auch nicht mehr viele Argumente einfallen können.
Wenngleich 3,7 kW etwas wenig sind, wird es meist ausreichen. Für die anderen, vielleicht unverhofften Fälle muss man dann halt hin und wieder zu einer öffentlichen Ladestation fahren.
Wenn es von den Kosten und technischen Umständen möglich ist, würde ich den Anschluss 3phasig mit 11 kW, vielleicht sogar 22 kW auslegen oder zumindest 1phasig für mehr als 16 A (Schieflastverordnung erlaubt 20 A). Dann hat man später alle Möglichkeiten offen und kann die Box immer noch umkonfigurieren, wenn einmal mehr Strom zur Verfügung stehen sollte. Die OGH Entscheidung verhindert das ja nicht. „Installation eines einphasigen 16A Ladepunkts (3,7 kW)“ schließt für mich nicht aus, dass die Anspeisung stärker sein darf. Der Ladepunkt darf halt bloß 3,7 kW abgeben.
Das Urteil gilt also für im Eigentum stehende Kfz-Abstellplätze. Was aber, wenn man den Abstellplatz mietet?